Verschiedene Arten der CO2e-Bepreisung

Um das Marktversagen, das Verursacher von CO2e derzeit nur einen Bruchteil der Folgeschäden ihrer eigenen Emissionen tragen, zu beheben, trägt ein Preis für CO2e dazu bei, die Last der Schäden auf diejenigen zu verlagern, die dafür verantwortlich sind und die sie vermeiden können. Anstatt zu diktieren, wer wo und wie seine Emissionen zu reduzieren hat, gibt ein solcher Preis den Verursachern ein wirtschaftliches Signal und lässt ihnen die Wahl, entweder ihre Aktivitäten umzustellen und ihre Emissionen zu reduzieren oder weiter zu emittieren und für ihre Emissionen zu bezahlen.

Geschrieben von: Marc Böhlen | 16.09.2022

Die CO2e-Bepreisung kann ein nützliches Instrument sein, das uns allen ermöglicht, der Emissionen bewusst zu werden, indem wir in Franken pro Tonne denken.


Die Bepreisung von Treibhausgasemissionen (im Folgenden als CO2e bezeichnet) ist ein Instrument, das die externen Kosten dieser Emissionen - Kosten wie Ernteschäden, Gesundheitskosten durch Hitzewellen sowie Vermögensverluste durch Dürre und Überschwemmungen o.ä. - erfasst und über einen Preis an ihre Verursacher bindet. Da die Verursacher von CO2e derzeit nur einen Bruchteil der Folgeschäden ihrer eigenen Emissionen tragen und meist auch nicht direkt damit in Verbindung gebracht werden können, berücksichtigen sie diese so genannten externen Effekte bei ihren unternehmerischen Entscheidungen kaum.

Um dieses Marktversagen zu beheben, trägt ein Preis für CO2e dazu bei, die Last der Schäden auf diejenigen zu verlagern, die dafür verantwortlich sind und die sie vermeiden können. Anstatt zu diktieren, wer wo und wie seine Emissionen zu reduzieren hat, gibt ein solcher Preis den Verursachern ein wirtschaftliches Signal und lässt ihnen die Wahl, entweder ihre Aktivitäten umzustellen und ihre Emissionen zu reduzieren oder weiter zu emittieren und für ihre Emissionen (immer mehr) zu bezahlen. Die Unternehmen erhalten so einen Anreiz, emissionsarme Alternativen zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Die Festlegung eines angemessenen Preises, der über die Jahre immer mehr ansteigen sollte, hat Auswirkungen auf mehreren Ebenen:

Auf der politischen Ebene: Die Bepreisung von CO2e kann ein sehr wirksames klimapolitisches Instrument sein. In den meisten Fällen motiviert dieses damit nicht nur die Unternehmen zu Einsparungen, sondern stellt auch eine Einnahmequelle für den Staat dar.

Auf Unternehmensebene: Unternehmen können die CO2e-Preisgestaltung nutzen, um die Auswirkungen auf ihr Geschäft zu bewerten und potenzielle Klimarisiken und Einnahmequellen zu ermitteln.
 
Auf der Ebene der Investitionen: Langfristig orientierte Investor:innen können einen solchen Preis nutzen, um die potenziellen Auswirkungen von Klimaschutzmassnahmen auf ihre Investitionsportfolios zu analysieren und so ihre Investitionsstrategien zu überdenken und ihr Kapital in emissionsarme oder klimaresistente Aktivitäten umzuschichten.

Schauen wir uns nun die verschiedenen Arten der CO2e-Bepreisung an:

Das
Schweizer Emissionshandelssystem (CH-EHS) ist ein nationales System für den Handel und die Reduktion von CO2(e) in der Schweiz. Anlagen mit einer besonders hohen thermischen Gesamtleistung von über 20 Megawatt müssen am System teilnehmen. Anlagen in einigen Wirtschaftssektoren mit mittelhohen Emissionen können freiwillig teilnehmen. Im Gegenzug werden die Teilnehmer von der CO2-Abgabe befreit. Das Emissionshandelssystem ist neben der CO2-Abgabe und den individuell vereinbarten Reduktionsverpflichtungen eines der Instrumente der Schweizer Klimapolitik und soll dazu beitragen, die nationalen Klimaschutzziele zu erreichen und die internationalen Verpflichtungen aus den verschiedenen Klima-Abkommen einzuhalten.

Die Emissionszertifikate aus dem CH-EHS werden vom Staat zugeteilt oder versteigert. Die beiden wichtigsten Arten von EHS sind Cap-and-Trade und Baseline-and-Credit:

  • Cap-and-trade-Systeme: Die Anzahl der Emissionszertifikate ist begrenzt (Cap). Jedes teilnehmende Unternehmen muss jährlich Emissionszertifikate im Verhältnis zu seinen CO2e-Emissionen abgeben. Verfügt ein Unternehmen nicht über genügend Emissionsrechte, muss es diese von anderen Unternehmen kaufen. Überschüssige Rechte kann es verkaufen. Wenn Emissionsrechte knapp sind, ist der Preis ein Anreiz, die Emissionen zu reduzieren. Darum werden diese in der Schweiz über die Jahre auch immer mehr verknappt (siehe Quelle-Angabe am Ende).
  • Baseline-and-Credit-Systeme: Bei einzelne regulierte Unternehmen wird ein Basisemissionsniveau festgelegt und Unternehmen, die ihre Emissionen unter dieses Niveau gesenkt haben, erhalten Emissionsgutschriften. Diese Gutschriften können an andere Unternehmen verkauft werden, die ihre Basisemissionswerte überschreiten.

Eine
CO2e-Steuer setzt direkt einen Preis für CO2e fest, indem sie einen expliziten Steuersatz auf den CO2e-Gehalt fossiler Brennstoffe festlegt, d.h. einen Preis pro Tonne CO2e (tCO2e). Der Unterschied zu einem EHS besteht darin, dass das Ergebnis der Emissionsreduktion bei einer CO2e-Steuer nicht im Voraus festgelegt ist, wohl aber der CO2e-Preis. In der Schweiz gibt es keine CO2e-Steuer (aus den bereits erwähnten Gründen), aber eine CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe wie Heizöl oder Erdgas. Diese Abgabe - seit dem 1. Januar 2022 120 CHF pro tCO2 und betrifft rund 33% der Schweizer Emissionen (siehe Grafik der Weltbank im Titelbild) - kommt der Bevölkerung in Form eines Rabatts auf die Krankenversicherung wieder zugute (aka Umweltabgabe). Der gesamte Verkehrssektor ist von dieser Abgabe befreit, d.h. es werden keine Abgaben auf Benzin, Diesel oder Kerosin erhoben.
Freiwilliger CO2-Markt oder CO2-Kompensation: Ein Kreditmechanismus, bei dem CO2e-Reduktionen aus projekt- oder programmbezogenen Aktivitäten im In- oder Ausland verkauft werden können. Diese Gutschriften können verwendet werden, um internationale Vereinbarungen, nationale Politiken oder Unternehmensziele in Bezug auf die Reduzierung von Treibhausgasen einzuhalten.

Die
ergebnisorientierte Klimafinanzierung (engl. result-based climate finance oder RBCF) ist ein Finanzierungsansatz, bei dem Zahlungen geleistet werden, nachdem vorher festgelegte Ergebnisse im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Klimawandels, wie z. B. Emissionsreduzierungen, erzielt und überprüft wurden. Viele RBCF-Programme zielen darauf ab, verifizierte Reduzierungen von CO2e-Emissionen zu erwerben und gleichzeitig die Armut zu verringern, den Zugang zu sauberer Energie zu verbessern und gesundheitliche und kommunale Vorteile zu bieten.

Interne CO2e-Preisgestaltung ist ein Instrument, das eine Organisation intern verwendet, um ihren Entscheidungsprozess in Bezug auf die Auswirkungen, Risiken und Chancen des Klimawandels zu steuern.

Was können die politischen Entscheidungsträger:innen also tun?

Für die Regierungen hängt die Wahl der Bepreisung von den nationalen Gegebenheiten und politischen Realitäten ab. Im Zusammenhang mit obligatorischen CO2e-Preisinitiativen sind EHS und CO2e-Steuern/-abgaben die gängisten Arten. Grundsätzlich ist es wichtig, dass die politischen Entscheidungsträger:innen eine ehrgeizige Verpflichtung zu umfangreichen Emissionsreduzierungen eingehen. Mit anderen Worten, eine Steuer oder eine Lenkungsabgabe sollte in erster Linie diejenigen treffen, die die meisten Emissionen verursachen, und sie so motivieren, diese so schnell wie möglich zu reduzieren. Die Verursacher müssten also durch neue Gesetze verpflichtet werden, Reduktionszielvereinbarungen zu treffen. Damit wäre sichergestellt, dass die Kosten der Energiewende, die in der Schweiz auf rund 11 Milliarden Franken geschätzt werden, hauptsächlich von den Verursachern getragen werden.

Damit die Gesellschaft als Ganzes davon profitiert, ist es auch notwendig, dass die Politik in die Aus- und Weiterbildung der Bevölkerung und der Organisationen investiert. Mit einer vollständigen Umverteilung der Einnahmen zur Finanzierung von Klimamassnahmen, wie der bereits erwähnten Finanzierung der Energiewende, die auch die Entwicklung von Energiespeichern oder die Finanzierung von Gebäudesanierungen umfassen könnte, könnten die mittel- bis langfristigen Kosten für die Gesellschaft reduziert und die Folgen des Klimawandels gezielter abgemildert werden. Dieser Vorteil muss der Bevölkerung klarer aufgezeigt werden können. Die Unternehmen müssen zudem verstehen, dass die Anpassung des Geschäftsmodells zwar kurzfristig Kosten verursachen kann, diese aber mittel- bis langfristig durch die entwickelten Innovationen gesenkt werden können. Und natürlich auch, um mögliche Risiken zu verringern. Im Moment diktiert jedoch das kurzfristige Denken und Handeln der Unternehmen (aka der Wirtschaft) den Ansatz der Rechtsentwicklung. Es werden zu viele Ausnahmen gewährt und den grossen Emittenten wird es zu leicht gemacht. Wir hören immer noch zu viel: "Der Markt wird es schon richten", obwohl, wie eingangs erwähnt, ein Marktversagen bereits deutlich sichtbar ist. Meiner Meinung nach sollte eine langfristig orientierte Politik den Unternehmen die Entwicklung hin zu einer resilienten, regenerativen Wirtschaft vorschreiben. Dazu braucht es wiederum die breite, aufgeklärte Bevölkerung. Und hier hätten wir als Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger den grossen Vorteil, dass wir einen solchen längerfristigen Ansatz mehrheitsfähig entwickeln können, ohne dass eine Oppositionsregierung wie in anderen Ländern nach vier Jahren wieder alles umstösst. Das ist einer der Gründe, warum ich solche Beiträge schreibe: Um meinen Teil zur Aufklärung beizutragen.

Da dieser Prozess aber wahrscheinlich einige Zeit in Anspruch nehmen wird, ergreifen immer mehr Organisationen die Initiative und beschliessen, ihren Entscheidungsprozess durch ein internes Preissystem für CO2e zu steuern. Mehr dazu im nächsten Artikel.

Bleib auf dem Laufenden:

Lies ebenfalls: